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Forum für neue kulturelle Dimensionen, erscheint seit 2013 viermal jährlich

Amalia Sieveking

Amalia Sieveking

Ulrike Unger

Wegbereiterin der modernen Sozialarbeit

Ein großes Organisationstalent, Nächstenliebe, eine natürliche Gabe Wissen zu vermitteln und etwas mehr Eigeninitiative, als den Frauen ihrer Zeit eigentlich zustand - das zeichnete Amalie Sieveking aus. Sie sollte als Wegbereiterin der modernen Sozialarbeit in die Geschichte eingehen.

Als sie im Sommer 1794 als Hamburger Kaufmanns- und Senatorentochter geboren wird, scheint ihr ein geordnetes und wenig ereignisreiches Leben bevor zu stehen. Sie erlernt, wie für Bürgertöchter üblich, Handarbeit, Tanz und Gesang, wird in die Hauswirtschaft eingeführt. Amalie Sieveking jedoch ist weder eine begabte Tänzerin, noch gibt sie sich mit wenig spektakulärer Hausarbeit zufrieden. Sie ist ein junges Mädchen, da sterben ihre Eltern und lassen sie beinah mittellos zurück. Amalie muss bei Verwandten unterkommen, die ihr ein Obdach geben, wenn sie sich im Gegenzug der Pflege des schwer kranken Sohnes widmet, die Töchter in der Religion unterrichtet und auf die Konfirmation vorbereitet. Später wird sie eine kleine Rente beziehen, dennoch lebt sie nie in materieller Fülle. Eine Zeit lang muss es die junge Amalie geschmerzt haben als Frau keine Berufsausbildung zu besitzen und auch sonst keine Wirkmöglichkeit für sich in der Welt zu sehen. 
Bald jedoch verdichtet sich in ihr der Wunsch, ihre Lehrtätigkeit weiter auszubauen. Mit der finanziellen Unterstützung reicher Sponsoren aus ihrem unmittelbaren Bekanntenkreis, kann sie eine kleine Schule für Mädchen errichten, in der sie selbst bis kurz vor ihrem Tod unentgeltlich lehrt. Ihre Einrichtung besteht bis 1858. An Sonntagen unterrichtet sie zusätzlich mittellose Kinder in einer Armenschule. Vielleicht ist sie sogar auf eigene Faust in die Armenhäuser der Stadt gezogen, um den Menschen Wissen zu vermitteln. Das christliche Gebot der Nächstenliebe hat sie für sich dabei stets zur Entfaltung bringen wollen.

Um das Jahr 1831 bricht in Hamburg die Cholera aus, damals eine der gefürchtetsten Krankheiten im europäischen Raum. Machtlos und verängstigt stehen die Menschen der Seuche gegenüber. Amalie Sieveking reagiert erschüttert aufgrund der Unmenge an Erkrankten. Sie fühlt, sie muss handeln und setzt einen Aufruf in die örtliche Zeitung. Darin fordert sie die Hamburger auf, sich gemeinsam mit ihr in den Seuchen-Lazaretten der Stadt zu melden, um den Siechenden zur Seite zu stehen. Die Krankenpflege war zu Zeiten Sievekings eine Arbeit, die weder von qualifiziertem Personal ausgeführt wurde, noch ein hohes Ansehen genoss. Die Resonanz, die sie sich erhofft, bleibt aus. So erscheint sie allein bei den Kranken, versorgt diese freiwillig, lässt sich nicht von Erschöpfung und Müdigkeit aufhalten, packt an, wo sie kann. Da sind kein Ekel und keine Zimperlichkeit. Den leitenden Arzt beeindruckt die Arbeit dieser Frau, kurzerhand überträgt man Amalie Sieveking die Aufsicht über die gesamte Pflegschaft.

Ein Jahr später gründet sie zusammen mit einem Dutzend Frauen den „weiblichen Verein für Armen- und Krankenpflege", dem sie über zwanzig Jahre vorsteht. Die teilhabenden Frauen entwickeln eigene Vereinsstrukturen, organisieren sich selbständig, übernehmen Verantwortung und werden zum Vorbild vieler anderer bürgerlicher Frauenvereine über die Grenzen Norddeutschlands hinaus. Diese Unabhängigkeit, das Gefühl einen wichtigen Beitrag für die Schwachen der Gesellschaft zu leisten, gibt Kraft. Sieveking kann ihre Erfahrungen, die sie in der praktischen Arbeit erlangt hat, nun an Mitstreiterinnen weitergeben. Doch sie erweist sich nicht nur als talentierte Pflegerin, sondern setzt auch eigene innovative Ideen in die Tat um. „Hilfe zur Selbsthilfe", das ist ihr Motto. Aus den Berichten Hamburger Armenärzte hört sie von der bei Arbeiterkindern häufig grassierenden Rachitis, die auf mangelnde Lichtzufuhr durch dunkle Mietskasernen und Hinterhöfe zurückzuführen war. Amalie Sieveking schafft es, arbeitslose Männer zu mobilisieren, die Kinderwagen (für Geringverdiener damals beinah unerschwingliche Luxusgüter) anfertigen und sich beim Ausfahren des Nachwuchses ein Zubrot verdienen. Gleichzeitig werden auf diese Weise überanstrengte werktätige Frauen entlastet, den Kindern dienen die Spazierfahrten zur Rachitis-Prophylaxe.

Amalie Sieveking, eine der großen einflussreichen Sozialarbeiterinnen auf deutschem Gebiet, war keine selbsternannte Frauenrechtlerin, ihre Biographie enthält nichts Visionäres. Sie konnte sich durchaus mit der traditionellen Rolle der Frau abfinden, aber sie trug das soziale Fürsorgeprinzip, das von alters her der Frau und damit der privaten Sphäre zugeteilt war, in die Öffentlichkeit hinaus. Und begann damit dem menschlichen Selbstverständnis, dem Wunsch nach einer sinnvollen Tätigkeit, welche gerade Frauen über Jahrhunderte verwehrt blieb, eine neue wichtige Bedeutung zuzusprechen.

Durch ihr Wirken schuf sie für nachkommende Frauen Perspektiven in der Sozialarbeit und Krankenpflege. Auf ihre eigene Unabhängigkeit hat sie viel Wert gelegt. Ein Stück davon wollte sie auch denen bieten, denen sie einst selbst zugehörig war: Der Vielzahl an privilegierten, aber unterforderten und damit unselbständigen Frauen und Mädchen des Adels und des Bildungsbürgertums.

 

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Bildquelle: Amalie Sieveking (Gemälde von Hans Heinrich Port/ 1841), gemeinfrei

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Quellen:
• http://www.sieveking-stiftung.de/index.php?id=17
• http://forge.fh-potsdam.de/~BiB/gruender/sieveking.pdf
• http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/amalie-sieveking/
• http://www.zeit.de/1994/33/maenner-brauchte-sie-nicht
• http://de.wikipedia.org/wiki/Amalie_Sieveking
• http://www.heiligenlexikon.de/BiographienA/Amalie_Sieveking.html

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