„Wenn ich nicht ans Sterben denke, so kenne ich nur den einen,ständigenGedanken: fort,fort aus diesem Land!“
Zehn Tage später, am 12.Dezember 1933 nahm sie sich auf Sylt das Leben.
Werfen wir einen Blick auf Leben und Werk dieser faszinierenden und rätselhaften Künstlerin der Avantgarde.
Anita Rée war die zweite Tochter des wohlhabendenKaufmannes Israel Rée und seiner Frau Clara, geb. Hahn. Geboren wurde Anitaam 9.2.1885 in Hamburg.
Die Hamburger Linie der alteingesessenen jüdischen Kaufmannsfamilie handelte seit Generationen vor allem mit Getreide und ostindischen Waren. Anita und ihre Schwester Emilie wurden evangelisch-lutherisch getauft und konfirmiert(s.Fanny Hensel). Der protestantisch geprägten Erziehung im Elternhaus gemäß, folgte die der Zeit nach angemessene Bildung als „höhere Tochter.“
Künstlerischer Werdegang:
Ab 1905 nahm Anita Rée Malunterricht. Max Liebermann, der ihr Talent erkannte, riet ihr zur Fortsetzung ihrer Ausbildung. Zu der Zeit gab es in Hamburg keine akademische Ausbildung für Frauen in der Kunst, so dass sie sich mit Franz Nölken und Friedrich Ahlers-Hestemann zu einer Ateliergemeinschaft zusammen schloss.
1912 ging sie nach Paris, wodie französische Avantgarde sie faszinierte. Alles Eindrücke, die sich in späteren Werken widerspiegeln. So erinnern ihre zersplitterten Landschaften an den späten Cézanne, die Farbkraft an Gauguin.
1919 war Rée Gründungsmitglied der Hamburger Sezession (s.auch: Becker-Gundahl auf saarlan-lese.de).
Die vielleicht glücklichste Zeit verbrachte sie von 1922 bis 1925 in Positano an der Amalfi Küste, wo sie sich der neuen Sachlichkeit zuwandte.
Zurück in Hamburg führte sie größere Wandgemälde aus, für die sie großes Lob erntete (Die klugen und die törichten Jungfrauen - von den Nazis zerstört – sowie Orpheus mit den Tieren, übermalt, 1980 restauriert).
Ihr Entwurf eines Triptychons für den Altar der Ansgarkirche in Hamburg-Langenhorn wurde von der Gemeinde 1932 aus „kultischen Bedenken“ zurückgezogen – 1930 war Rée von der NSDAP als Jüdin denunziert worden.
1932 zog sich Rée aus Hamburg zurück und wohnte auf Sylt. Im April 1933 schloss sie die Hamburger Künstlerschaft als „artfremd“ aus.
Kurz vor ihrem Suizid schrieb sie an ihre Schwester: „„Ich kann mich in so einer Welt nicht mehr zurechtfinden und habe keinen einzigen anderen Wunsch, als sie, auf die ich nicht mehr gehöre, zu verlassen. Welchen Sinn hat es – ohne Familie und ohne die einst geliebte Kunst und ohne irgendwelche Menschen – in so einer unbeschreiblichen, dem Wahnsinn verfallenen Welt weiter einsam zu vegetieren … „
Ein Grabstein auf dem Hamburger Friedhof Ohlsdorf erinnert an die Künstlerin; eine Straße in Hamburg-Neuallermöhe wurde nach ihr benannt.
Würdigung:
DieHamburger Kunsthalle würdigt die Malerin mit einer großartigen Ausstellung: Anita Rée – Retrospektive (bis Februar 2018) mit rund 200 Gemälden, Aquarellen, Zeichnungen und Objekten.
Teil dieser Ausstellung sind auch Werke, die der damalige Hausmeister, Wilhelm Werner, vor den braunen Machthabern rettete. Als man begann die Museen für die Ausstellung „Entartete Kunst“ leerzuräumen, handelte der einfache Mann und versteckte ihre Gemälde unter seinem Bett und im Schrank. Nach dem zweiten Weltkrieg stellte er die Arbeiten einfach zurück ins Depot.
Die Hamburger Kuratorin Karin Schick zu der Künstlerin:
„Anita Rée war als Persönlichkeit und Künstlerin ein Widerspruch in sich. Ich glaube, dass ihre Kraft aus diesen Quellen herrührt: Faszination für die Moderne, Begeisterung für die angewandte Kunst, für Gegenstände, das Wahrnehmen von Alltag – das sind die Polaritäten, innerhalb derer sie gelebt, gedacht und in der Kunst gearbeitet hat.“
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Bildquellen:
Anita Rée, Selbstporträt, Hamburger Kunsthalle, via wikipedia commons, gemeinfrei
Weiße Bäume,1922, Privatbesitz, via wikipedia commons, public domain
Weiblicher Halbakt,1930, PrivatbesitzUS, via wikipedia commons, publich domain