„Schreiben", sagt Siegfried Lenz, „ist für mich die beste Möglichkeit, um Personen, Handlungen und Konflikte verstehen zu lernen."
Ein Deutschlehrer hat ihm die Liebe zur Literatur vermittelt, nachdem die Familie von Lyck (Ostpreußen), wo Siegfried Lenz am 17. März 1926 geboren wurde, nach Braunsberg zog und der Junge auf eine Internatsschule ging. Die jugendliche, erlebnisbreite Seele lernte früh das Grauen des Krieges kennen:
Zuerst das Wehrertüchtigungslager, eine Reifezeugnis ohne Prüfung - des Krieges wegen -, schließlich Marinesoldat.
Um zu sich selbst zu finden, das Erlebte gedanklich zu bewältigen, Fragen zu stellen und Antworten suchen zu können, musste Sprache zur Verfügung stehen.
Schreiben können und schreiben wollen. Siegfried Lenz unterbricht das Studium (bezahlt mit Schwarzhandel und Blutspenden) der Anglistik und Philosophie, wird Journalist bei der „Welt", Redakteur und Feuilletonredakteur. Und seit 1951 freier Schriftsteller.
Romane. Erzählungen. Hörspiele, Essays. Geschichten.
Hemingway, zuerst als Vorbild gewählt, wird den Ansprüchen nach Erklärung des Lebens nicht mehr gerecht.
Die Zeit bietet viele Möglichkeiten des Handelns und des Nichthandelns. Warum wird die eine gewählt? Liegt in der einen die Wahrheit? „Die Wahrheit", sag Lenz in „Beziehungen", „entzieht sich mir in dem Augenblick, in dem ich sie bezeichnen oder an die Kette legen will." So muss er sich (oder wir uns) mit der Annäherung an die Wahrheit begnügen. Er findet (in „Zeit der Schuldlosen"): „Man sollte die Menschen nicht danach beurteilen, was ihnen unmöglich ist."
Geschichten erfordern Verständnis der Geschichte. Siegfried Lenz lernt von Manes Sperber, dem Lehrer für Individualpsychologie und bekannter Autor, das menschliche Handeln begreif- und beschreibbar zu machen. Agieren, sagt Sperber, heißt „verändern handeln". Geduld gehört dazu, Geduld im Verstehen, im Sich - verändern und beim Verändern der sozialen Umwelt.
So drängen sich die Themen auf, Stoffe finden sich. Die Personen dazu und ihre Handlungen werden konzipiert. Lenz erzählt gern und er kann gut erzählen. Die Komplexität des Lebens verlangt nach Beziehungsstrukturen und Erzählpositionen, die konstruktive Mittel erfordern. Und manchmal merkt man den Texten diese Mühe an.
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Literatur:
- Trudis Reber: Siegfried Lenz
Reihe: Köpfe des 20. Jahrhunderts, Bd. 74
Colloquium Verlag Berlin 1986
- Siegfried Lenz: Jäger des Spotts.
Geschichten dieser Zeit
Deutscher Taschenbuch Verlag 1967
- Siegfried Lenz: Der Anfang von etwas.
Erzählungen
Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig 1986
- Siegfried Lenz: So zärtlich war Suleyken.
Masurische Geschichten
Aufbau-Verlag Berlin und Weimar 1989
- Manes Sperber: Von der Fähigkeit, sich zu verändern
In: Was der Mensch braucht.
Über die Kunst zum leben
Herausgegeben von Hans Jürgen Schultz
Deutscher Taschenbuch Verlag 1989
Quelle / Teaserfoto: Bundesarchiv, B 145 Bild-F030757-0015 / Schaack, Lothar / CC-BY-SA